Knapp 60 Jahre ist es her, dass das Broadwaystück „Hello, Dolly“ im St. James Theatre in New York Uraufführung feierte. Jerry Hermans Musicalbearbeitung nach Thornton Wilders literarischer Vorlage „The Matchmaker“ wurde zum weltweiten Kassenerfolg. Das verdeutlichen nicht nur die 2844 Aufführungen, die in den Folgejahren auf die Bühne kamen. Für Popularität sorgte ebenso die Hollywood-Version (1996) des berühmten US-amerikanischen Tänzers und Choreografen Gene Kelly, in der die Filmstars Barbara Streisand und Walter Matthau auf der Leinwand die beiden Hauptfiguren spielen.
Jetzt inszeniert Carsten Kirchmeier den Stoff am Musiktheater im Revier, der sich um die titelgebende, verwitwete Heiratsvermittlerin Dolly Levi und den steinreichen Kaufmann Horace Vandergelder dreht. Letzterer hat zwar ausreichend Geld auf dem Konto, ist aber chronisch übellaunig – was seine Mitmenschen, darunter seine Angestellten, zu spüren bekommen. Trotzdem hat er sich vorgenommen zu heiraten. Genau hier kommt die Hochzeitsvermittlerin Dolly ins Spiel, die Horace mit der Hutmacherin Irene Molloy zusammenbringen will.
Damit beginnt ein Tohuwabohu: Denn während Horace aus der Provinz zum Hutladen nach New Yorkreist, um aufgrund seines schroffen Verhaltens einen Korb zu bekommen, nutzen seine zwei Angestellten die Gelegenheit und folgen dem Chef unerkannt. Während die beiden ausgerechnet an Irene und ihre Mitarbeiterin geraten, entdecken Horace und Dolly ihre Gefühle füreinander.
Der Broadway-Evergreen ist eine typische Screwball-Komödie, die mitGegensätzen zwischen Geschlechtern, zwischen Stadt und Land, aber auch zwischen den Klassen arbeitet. Gleichzeitig ist er eineZeitreise in die Swinging Sixties –und damit in eine Ära des gesellschaftlichen Konformismus. Das bringt auch der Line Dance zum Ausdruck, bei dem die Bühnenakteure zu den Songs in Reihen und Linien stampfen. Wie bei jederneuenInszenierung bleibt auch in Gelsenkirchen abzuwarten, ob die Macher diese altbackene Idee lieber fallen lassenoder ironisch aufgreifen.
Hello, Dolly | R: CarstenKirchmeier | 13. (P), 20., 21., 25.1. | Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen | 0209 409 70
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